Als Luftwaffenhelfer
in Aachen (schw.z.b.V. 2. / 514) Einige von uns, von der Oberschule für Jungen in Monschau/Eifel aus der 6. Klasse (heute vergleichsweise 10. Schuljahr), kamen am 17.04. 1944 zum Einsatz , eine Woche nach dem an Ostern 1944 stattgefundenen, spätabendlichen Großangriff auf Aachen, bei dem das alte Aachen und Burtscheid weitgehend in Schutt und Asche fielen und bezogen in der Batterie "Vaalser Quartier / Vensky - Häus´chen" (2./514) Stellung. Dieses Quartier war unmittelbar an der Hauptstraße, die zur ca. 6 km entfernten holländischen Grenze führte. Belgien war auch in unmittelbarer Nachbarschaft, am Dreiländereck gelegen. Ich war damals Alumnats-Schüler, vergleichbar einem Internat, nur Unterkunft und Schule waren räumlich ziemlich entfernt. Ab 1943 war unser damaliger Alumnatsleiter, Rektor B., genannt "Nero", gefürchtet und verehrt zugleich, seinerseits zur Flak eingezogen worden und seitdem ging "im Kasten" alles drüber und drunter. Es herrschte das Faustrecht, es gab nur stundenweise Aufsicht von Lehrern, die aber ihrer Aufgabe als Aufsichtsperson bei dem dort herrschenden Chaos überhaupt nicht gerecht werden konnten. Es war die Hölle. Schulische Leistungen? Bedaure - Fehlanzeige! Wir kamen also am 17.April in der Stellung an und wurden, nach Empfang durch den Batteriechef, O.Ltn. Kr., anschließend komplett eingekleidet. Der Dienstplan sah Einweisung zu Geschütz-, Mess-Staffel oder zur Vermittlung vor, sowie Beginn mit der Grundausbildung. Daneben natürlich die techn. Einweisung an den Geräten, denen wir jeweils zugeteilt worden waren. Einige von uns, Paul St. und auch ich, wurden dem "Malsi-Gerät" zugewiesen, einem Hilfsgerät, zu den Mess - Geräten, als sog. "Umwertung", zuzurechnen. Gleichzeitig wurde jeder von uns täglich für zwei Stunden als Flugmeldeposten eingeteilt. Unsere Batterie war eine 8,8 cm Flak, deren Typ schon in Afrika eingesetzt war. Jedes Geschütz stand zu ebener Erde auf seiner Lafette, umgeben von einem ca. 2 m hohen Schutzwall. Da sich unsere Position am Dreiländereck befand, waren wir - neben den anderen Nachbar-Batterien - auf vorgeschobenem Posten, d.h. wir waren die ersten Batterien an der Landesgrenze. Der Flugmeldeposten trug große Verantwortung. Ein zu spät erkannter Kondens- streifen und das zugehörige Flugobjekt, das den Kondensstreifen verursachte, konnte böse Folgen nicht nur für uns, sondern auch für die Stadt Aachen haben. Unser Batteriechef war ein drahtiger Österreicher, ein - wie sich noch herausstellen sollte - 150%iger, ideologisch eindeutig festgelegter, "scharfer" und durchsetzungsfähiger Mittdreissiger. In dem heißen Sommer stellte er sich einen Liegestuhl auf die "B1" (Kommandogerät der Mess - Staffel) und sonnte sich - blinzelte aber unentwegt zum Flugmeldeposten, ob der, statt den Horizont nach Kondensstreifen, den Waldrand nach anderen Dingen absuchte... Als vorgeschobene Batterie und dicht an der Grenze waren wir weitgehend auf unsere eigenen Beobachtungen angewiesen und es erfolgte dementsprechend oft der von uns, den Flugmeldeposten, betätigte Alarmknopf zur Herstellung der Gefechtsbereitschaft, wenn sich auch nur ein Kondensstreifen näherte. Die heraneilende "B1"-Besatzung übernahm sofort die Werte vom Scherenfernrohr und speiste sie in die Telemetrie des meist 4 m breiten Kommandogeräts, ein Analog-Computer, wie Kurt H. sich zu erinnern weiß, mit 4 Mann Besatzung plus Chef der Batterie gefechtsmäßig besetzt, ein. "Ziel aufgefasst" war die verbale Quittung, wenn sich der Verursacher des Kondensstreifens als Flugobjekt entpuppte und sich seine Richtung, seine Höhe und die Geschwindigkeit des Näherkommens errechnete. Durch Flugzeug - Erkennungsdienst geschulte Augen erkannten dann auch den Typ des Flugzeuges oder des Pulks, der sich näherte. Der Geschützstaffel wurden die Werte für Seite, Höhenwinkel und Distanz elektrisch übermittelt und es galt, die Kanonen nach diesen Werten blitzschnell auszurichten. Die Geschützführer erhielten die Kommandos ihrer Kanoniere: "K-1-abgedeckt" (Seite), "K-2-abgedeckt" (Höhe), "K-6-abgedeckt" (Entfernung für Zündereinstellung) und die Feuerleitung gab dann das Kommando "Feuer", wobei zusätzlich die alles übertönende elektrische Glocke, die sog. "Feuerglocke" ertönte. Das war das Ritual der Gefechtsbereitschaft - der Feuerzauber konnte beginnen. Die Geschützbedienungsmannschaften (der 5 Fla-Kanonen, benannt von "A"nton bis "E"mil) bestand aus kräftigen Männern. Die Einstellungen geschahen von Hand, hydraulische Unterstützung fehlte. Speziell der Lade-Kanonier, der die schweren Granaten in die Ladeschale zu wuchten hatte, war gefordert, je steiler der Anstellwinkel, desto schwerer seine Arbeit. Hiwi's (Hilfswillige), meist russische Kriegsgefangene, schafften die Munition aus den Bunkern heran. Die russischen Kriegsgefangenen waren ganz umgänglich, allerdings war ein Kontakt mit ihnen nicht gestattet. Sie rauchten ihre Machorkas und waren dankbar, wenn ihnen mal einer eine "Aktive" (eine echte Zigarette, nicht eine aus "Kippen" gedrehte)zusteckte. Einmal rauchte ich in Gegenwart eines Hiwi's eine Zigarette, worauf er scherzhaft mit dem Finger drohte: "...ich Spissus sagenn..". Paul St. und ich selbst wurden am "Malsi"-Gerät ausgebildet, eine Hilfskonstruktion, die von der Mannschaft etwas belächelt wurde. Unser Ausbilder war Obergefreiter Kern aus Schlesien, der sichtlich Spaß daran hatte, daß seine Ausbildung Früchte trug, daß wir nicht begriffsstutzig waren sondern ziemlich schnell die Wirkungsweise der auf senkrechten Achsen lagernden Zylindertrommeln mit ihren sphärischen Skalierungen und den senkrecht davor aufgehängten Schnüren, wie auch der Handhabung der "X"- und "Y"-Sperrfeuer-Lineale begriffen und anzuwenden in der Lage waren. Sinn des Malsi - Gerätes war, bei Ausfall der batterieeigenen Messgeräte Werte von Nachbar-Batte- rien, deren Mess-Staffel noch einsatzbereit waren, zu übernehmen und auf unsere Koordinaten zu transponieren, was nur mit Hilfe der etwas vorsintflutlich wirkenden Gerätschaften zu ermöglichen war. Dies war die "Umwertung". Als eines Tages tatsächlich "FuMG" (Funkmessgerät, heute Radar) und "B1" (Kommandogerät, welches zur visuellen Erfassung der abzuwehrenden Flugzeuge diente) komplett ausfielen, waren wir auf das sonst so geschmähte Malsi-Gerät angewiesen. Alles funktionierte wie ein Uhrwerk und bewährte sich. Der Zufall hatte mich dazu auserkoren, die Feuerleitung handzuhaben - Kehlkopfmikrophon am Hals, ein Klingelknopf am Kabel in der Hand und die Befehlsfolge "Feuerglocke" - dabei musste das Wort Feuerglocke klar und deutlich ausgesprochen und der Klingelknopf betätigt werden - 2 Sekunden Pausenintervall - "Abschuss" - wobei wieder das Wort Abschuss klar und deutlich ausgesprochen werden musste. Was in's Kehlkopf-Mikrophon gesprochen wurde, hörte der Gesch¨tzführer in seinen Kopfhörern und zog auf das Stichwort "Abschuss" an der Reißleine für die Auslösung des Abschusses der Flakgranate - 5 Sekunden Pausenintervall (die Zeit benötigten die Munitionsschlepper und der Ladekanonier) - dann das gleiche von vorn. Bei heftigen Gefechtseinsätzen kam eine Schussfolge von ca. 700 Schuss/h pro Geschütz zum Tragen. Da unsere Geschütze überlange Rohre besassen mit entsprechender größerer Reichweite, waren nach 1000 Schuss schon die "Züge", die spiralförmigen Rillen im Lauf, verschlissen. Ich muß zugeben, daß ich bei der Feuerleitung schon wenig aufgeregt war, was sich in einer raschen Folge der Schuß-Intervalle auswirkte - die Rohre sollen fast geglüht haben. Aber unser Ausbilder, der Obergefreite Kern, strahlte über's ganze Gesicht. Sein gerade ausgebildetes team der 16-jährigen hatte seine Feuertaufe bestanden. Das galt aber auch für die Mitglieder der Geschützstaffel, von denen wir unseren Freund Ernst N. hervorheben. (Abb.ls: "Flying Fortress" B17-Bomber im riskanten Ziel-Anflug) Die meisten Unteroffiziere waren in Ordnung - bis auf einen Wachtmeister, der uns bis auf's Blut piesackte und schliff. Aber dieser Spieß namens Lucius sollte seine Quittung auch noch erhalten! Wir vom Alumnat in Monschau waren, glaube ich, zu zweit oder dritt hier versammelt. Wir waren durch die Übergriffe und Brutalitäten im Alumnat hart im Nehmen und konnten daher seelische Konflikte bei anderen Kameraden (es gab schon auch Muttersöhnchen, die unter Trennungsschmerz vom Elternhaus litten) nicht nach vollziehen. Es gab einen zartbesaiteten Jungen, der schon in Panik geriet, wenn man einen rauhen Ton anschlug; Kurt berichtet: "Einmal, es war allerdings schon in unserer nächsten Stellung im Ruhrgebiet, als wir uns bei Voralarm die Schuhe anzogen (die Hosen zogen wir schon garnicht mehr aus), schnappte der arme Kerl über und fing zu toben an. Bevor wir merkten, was mit ihm los war, rannte er hinaus und sprang in den Löschwasserteich; er kam wohl anschliessend in psychiatrische Behandlung". Wir allesamt wohl waren froh, dem öden Schulalltag entronnen zu sein und dem
nachzueifern, was wir schon früher bei älteren Mitschülern, die schon eher
zur Heimatflak abkommandiert wurden, bewunderten und die von uns, wenn sie
auf Urlaub nach Hause kamen und schon in schmucker Uniform was
darstellten, beneidet wurden.
Von Schulunterricht war seit Juli
kaum noch die Rede, ständige Alarmbereitschaft und Gefechtstätigkeit
machten es den Lehrern unmöglich, Unterrichtsstunden zu geben, zumal für
sie bei Alarm keine Möglichkeit bestand, in unmittelbarer Umgebung Deckung
zu suchen bzw. zu finden. Per Juli erhielten wir unsere Zeugnisse - mit
einem "Gefahren-Bonus": meine in früheren Zeugnissen attestierten
schwachen Leistungen hatten sich schlagartig gebessert... Die Versetzung
war auch nicht mehr gefährdet sondern jetzt gesichert.
Es mag wohl Juli geworden sein,
als die Batterie-Stammbe- Der Wechsel erfolgte nicht ohne Grund,
die Invasionstruppen rückten unaufhaltsam näher; Anfang September - es war D-day +90 - näherten
sie sich dem Großraum westlich von Trier. Unsere Geschützstaffel, so erinnert
sich Paul, richteten sich auf zu erwartenden Erdkampf ein und trugen die
Erdwälle in südlicher Richtung ab, um freies Schussfeld zu haben.
Ende August mussten wir Deckungslöcher graben, die mit Betonplatten abgedeckt waren und oben einen Einstieg ermöglichten.
Notfalls sollten wir dort Unterschlupf suchen. Wir wollten nicht wahrhaben, daß wir diese eines Tages nötig haben würden, aber das änderte sich schlagartig am 11. September, als wir von amerikanischer Artillerie direkt beschossen wurden. Unsere wohnliche Baracke ging in Flammen auf,
unsere Habseligkeiten verbrannten restlos. Ehemaliger Standort: Vaalserquartier / Aachen-Südwest Luftaufnahme vom 12.09.44, nachmittags, tiefstehende Sonne ---> daher die Schlagschatten an den Einzelobjekten <--- N-1 v.li.un.nach re.ob. = Baracken (Sozial-Bereich) N-2 "c" Baracken der Mess-Staffel (i.d.großen Paul's U.kunft) N-3 frische Granat-Trichter vom Vortag (US-Artillerie) M-1/2 die B1 mit Malsi (im "Souterrain"), M-2 "a" das FuMG (getarnt) M-2 "b" mehrere Baracken, u.A. Marketender-Laden M-2 "c/d" verschiedene 1-Mann-Deckungslöcher M-3 östlich davon die Kantine, noch weiter: ein Bunker L-1/2 frische Trichter und 1-Mann-Löcher K-1 "a" frische Granat-Trichter vom Vortag (US-Artillerie) K-1/2 vermutliche 2-cm-Geschütz-Stellung I-1/2 eine der 8.8-cm-Geschütz-Stellungen, weitere = westl. I-2 "a-b" frische Bombentrichter H-1 oben 1-Mann-Loch H-2 frische Bombentrichter Über den Kampfverlauf der sich nähernden US-Truppen gibt die Gemeinde Hürtgenwald ein anschauliches Bild. Der Standort der ehemaligen Flakbatterie an der Vaalser Straße ist inzwischen von einer Siedlungsgesellschaft mit Reihenhäusern (innerhalb der Schleife "Kronenberg") besiedelt und schräg gegenüber, Luftlinie ca. 1700 m, sieht man das Klinikum Aachen. Der seinerzeitige "erste" Batteriechef, der "150%ige" O.Ltn. Kr. hat den Krieg überlebt. Ich sah ihn, den Ex-Batteriechef, einige Jahre später, so 1949, in Innsbruck in einem Café auf der Maria-Theresien-Straße, "als Stehgeiger" zur Unterhaltung der Gäste, die es sich bei einem "Braunen" und Sachertorte gut sein ließen...Niemand schien eine Ahnung über die Vergangenheit des Geigers zu haben - außer mir, ein Passant im Vorübergehen...
Von den überlebenden Angehörigen der Besatzung, die die "erste" Mannschaft ablöste und selbst jetzt in schwerste Abwehrkämpfe gegen die anstürmenden US - Streitkräfte
verwickelt wurde, haben wir nie mehr etwas gehört. Vielleicht liest der ein oder andere Nachkomme dieser Besatzung diesen Bericht und kann etwas zu den Ereignissen und Erlebnissen dieser Mannschaft beitragen.
|